Ostertouren vom 30. März bis 2. April.
Die Österreicher gehen wohl nicht gerne auf Skitouren. Jedenfalls kommt es einem so vor, wenn bei vollen Hütten und eigentlich famosen Skitourenbedingungen keiner unterwegs ist. So blieben wir oft alleine, in den Scharten, die wir überschritten haben, sowie den Gipfeln.
Das Abenteuer begann im Stubaital. Wir konnten in Innsbruck einen Bus auftreiben, der bis nach Neustift fuhr, und dann ein Taxi, das uns den langen Weg nach Seduck, kurz vor der Oberrisser Alm, ersparte. Dort könnte man theoretisch sogar sein Gepäck zum Transport auf die Franz-Senn-Hütte aufgeben, aber ein bisschen selbstständig sind wir ja doch. Dafür blieb, nach einem eher kurzen Hüttenzustieg, noch Zeit für ein kleines Türli.
Das fast heisse Osterwetter war dichten Wolken gewichen, aber wir visierten den Hüttenhausberg mit dem Namen Gschwezgrat an. Nach einer steilen Flanke standen wir vor einer Felswand; an Haken war erkennbar, dass sie erstiegen wird, um auf den Hochpnkt zu gelangen. Für uns ohne Absicherung und mit Skistiefeln war das aber nichts, so dass wir im miesen Schnee bei mieser Sicht die Rückfahrt zur Hütte antraten. Die stellte sich als recht komfortabel heraus; wir logierten in einem 4er-Zimmer mit eigenen Steckdosen. Die Bewirtung war auch vorbildlich, von der Weinauswahl ganz zu schweigen. Aber in Schweizer Hütten wird's ja auch so allmählich.
Am nächsten Tag stand schon die längste Tour an: über die Wildgratscharte auf den Schrankogel oder den Schrankarkogl, mit Abfahrt zur Amberger Hütte. Über die Wildgratscharte konnten wir, das Personal der Hütte konnte, durfte oder wollte dazu nichts sagen, nicht viel erfahren. Ob man da einfach drüber läuft, Kraxelei erforderlich ist etc. Nach einem längeren Anweg über den Gletscher, die Wolken waren inzwischen einem herrlichen Sonnentag gewichen, fanden wir zugeschneite, steile Rinnen, sowie eine Art Klettersteig in den angrenzenden Felsen vor. Die Felsen waren zu verschneit, und das Seil nicht durchgängig erreichbar, also wühlten wir uns im tiefen Schnee eine der Rinnen hinauf, kraft- und zeitraubend. Hinter uns kam niemand mehr; schon vorher auf dem Gletscher waren wir mehr oder minder alleine. Oben trafen wir auf eine andere Gruppe, die von der Amberger Hütte kam, aber nur "mal schauen" wollte, was es mit der Scharte so auf sich hat, für zukünftige Taten. Drüben konnten wir im verschneiten Schutt relativ einfach absteigen. Bei der Weiterreise - wir brauchten ja noch einen Gipfel - auf den Schrankarkogl war der Schnee schon ziemlich weich und mühsam, die Abfahrt wieder leicht überfroren, und alles in allem kein grosser Genuss.
Die Amberger Hütte, in der wir zwei Nächte weilten, war auch recht komfortabel, obwohl wir nach vielen Versprechungen schliesslich doch in schmalen Kojen landeten. Bemerkenswert war ausserdem das Abendessenritual: die Gänge wurden mit einer Kadenz serviert, bei der auch ein hungriger Skitüreler nicht mithalten konnte: 10 Minuten für die Vorspeise, 15 für die Hauptspeise, dann wurde einem der Teller weggerissen und der nächste hingeknallt. Alles ohne Not, das Personal geht ja abends nicht nach Hause, wieso so ein Stress? Vielleicht wollten sie mehr Schnaps verkaufen, den brauchte man für Verdauung nach dem Herunterschlingen der Speisen. Ich habe Zirbel probiert und Vogelbeere.
Am Ostersonntag stand eine Tagestour ab der Hütte an. Über Nacht hatte es gut geschneit, und die Wolken waren noch nicht ganz verzogen, wir irrten ein Weilchen rum auf der Suche nach der Kuhscheibe (der Berg heisst wirklich so). Fast alle anderen, die ab der Hütte losgezogen waren, strichen die Segel. Die Wolken verzogen sich aber, gerade als wir den Gipfel schliesslich doch erreichten, und wir hatten eine phantastische Abfahrt im stiebenden Pulver vor uns, ganz für uns alleine. Zur Belohnung gab's eine Extraportion Kaiserschmarrn, Schnäpse, und wieder mal militärischen Drill beim Abendessen.
Am letzten Tag stand wieder eine Überschreitung an, sie führte in das Stubaier Skigebiet über das Daunjoch. Fast alleine zogen wir wieder den Gletscher ganz nach hinten rauf, das Daunjoch war über einen Steilhang mit einigen Spitzkehren zu erreichen. Leider erwischte es da Philipp, in einer Kehre verabschiedete sich sein Meniskus (oder etwas ähliches im Knie), und an ein Weiterziehen war für ihn nicht zu denken. Zum Glück gab's knapp Mobilfunkempfang und wir konnten einen Helikopter organisieren. Von Rettung kann man so direkt nicht reden, der "Retter" hatte nicht mal einen Gurt an, geschweige denn irgendwelche Bergeausrüstung dabei. Wir mussten Philipp von der Steilrampe ins flache Gelände zerren, so dass er selber einsteigen konnte. Zur gleichen Zeit kam noch ein "Retter", der auch so angeschrieben war, über das Daunjoch aus dem Skigebiet mit ein paar Gästen. Auch der konnte, ausser ins Funkgerät zu nuscheln, nicht viel machen. Wahrscheinlich kratzen die Retter sonst nur Motorradfahrer von den Leitplanken.
Die Lust auf weiter grosse Taten war uns jedenfalls erstmal vergangen. Wir schleppten Philipp's Rucksack und seine Ski in das Daunjoch, verzichteten auf den geplanten Besuch auf dem nahe gelegenen Hinteren Daunkopf, und fuhren direkt über das Skigebiet auf die Mutterbergalm ab. Mit dem Bus traten wir die Heimreise an, nicht ohne am Bahnhof Ötztal noch Philipp aufzugreifen. Der war nämlich von den "Rettern" nur bis zum Parkplatz in Gries, unterhalb der Amberger Hütte, geflogen worden. Von dort konnte er zum Glück noch humpelnd das Tal raustrampen.